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Wolfgang Scherf
Übernivellierung im Länderfinanzausgleich
Der Länderfinanzausgleich ist ein intransparentes System der Mittelverteilung zwischen den Bundesländern. Die Ergebnisse für das Ausgleichsjahr 2024 bestätigen die wiederkehrende Kritik der Zahlerländer an den enormen Umverteilungseffekten des Ausgleichverfahrens. Hinzu kommen auch 2024 Verstöße gegen das verfassungsrechtliche Übernivellierungsverbot.
Den Ausgangspunkt des Länderfinanzausgleichs bildet die Steuerkraft der Länder. Sie basiert auf den Steuereinnahmen, die den Ländern nach dem örtlichen Aufkommen zufließen (Ländersteuern, Anteile an Einkommen- und Körperschaftsteuer). Hinzu kommen die Umsatzsteueranteile der Länder, die ihre Steuerkraft um denselben Pro-Kopf-Betrag erhöhen. Abbildung 1 zeigt die daraus resultierende Steuerkraft „vor Finanzkraftausgleich“ in Euro pro Einwohner.

Berechnungen auf Basis der BMF-Daten 2024. Info: Ländercodes. © 2025 Scherf
Die großen Unterschiede in der Ländersteuerkraft gehen auf die Steuern nach dem Aufkommen zurück. Für den Finanzkraftausgleich werden drei (!) Instrumente eingesetzt: (1) Zuschläge und Abschläge bei der Umsatzsteuer, (2) allgemeine Bundesergänzungszuweisungen und (3) Bundesergänzungszuweisungen für unterproportionale Gemeindesteuerkraft. Im Ergebnis deuten die Einnahmen „nach Finanzkraftausgleich“ allerdings nicht auf eine gleichmäßige Annäherung der Finanzkraft der relativ armen und reichen Bundesländer.
Die Rangfolge der Länder bleibt nicht einmal erhalten, sondern wird komplett durcheinandergewürfelt. Zum Beispiel rutscht Bayern von Platz 2 auf Platz 10, während sich Berlin umgekehrt von Platz 5 auf Platz 1 verbessert. Im Finanzausgleich verliert Bayern 740 Euro pro Einwohner, während Berlin 1.563 Euro gewinnt. Danach übertreffen die Berliner Einnahmen pro Einwohner mit 6.142 Euro die bayerischen Einnahmen von 4.496 Euro um 37 Prozent.
Die unsystematisch wirkende Umverteilung ist nach den Maßstäben des Finanzausgleichsgesetzes in Ordnung. Der Finanzkraftausgleich orientiert sich nicht an der relativen Pro-Kopf-Steuerkraft der Länder, sondern am Verhältnis zwischen Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl. Die Finanzkraftmesszahl (FMZ) umfasst neben der Steuerkraft der Länder auch 75 Prozent der Steuerkraft der Gemeinden. Die Ausgleichsmesszahl (AMZ) entspricht im Prinzip der durchschnittlichen Finanzkraftmesszahl pro Kopf, basiert aber nicht auf tatsächlichen, sondern auf gewichteten Einwohnern.
Die erheblichen Finanzkraftzuwächse der ostdeutschen Bundesländer in Abbildung 1 sind insofern nicht überraschend, denn sie basieren auf der geringen Steuerkraft dieser Länder und ihrer Gemeinden. Dagegen profitieren die Stadtstaaten primär von der Gewichtung ihrer Einwohner mit 135 Prozent. Dadurch reduziert sich ihre relative Pro-Kopf-Finanzkraft (FMZ/AMZ) enorm, was die hohen Finanzausgleichsgewinne von Bremen und Berlin sowie die geringe Belastung von Hamburg erklärt.
Abbildung 2 illustriert den Finanzkraftausgleich (FKA) anhand der Normen des Finanzausgleichsgesetzes. Die Länder werden hier nach dem Verhältnis zwischen Finanzkraftmesszahl und Ausgleichsmesszahl geordnet. Infolge der Stadtstaatenwertung ist Bremen nun das ärmste Bundesland. Auch Berlin und Hamburg rutschen in der Finanzkraftrangfolge deutlich nach hinten.

Berechnungen auf Basis der BMF-Daten 2024. Info: Ländercodes. © 2025 Scherf
Der Finanzkraftausgleich bewirkt eine starke Nivellierung der relativen Finanzkraftpositionen. Die Zuschläge und Abschläge bei der Umsatzsteuer kompensieren die AMZ-FMZ-Differenzen zu 63 Prozent. Die verbleibenden Finanzkraftlücken werden durch allgemeine Bundesergänzungszuweisungen (a BEZ) mit einem Ausgleichssatz von 80 Prozent nahezu vollständig geschlossen.
Aus ökonomischer Sicht ist der bis dahin erreichte Nivellierungsgrad zwar weit überzogen, aber die Finanzkraftrangfolge der Länder hat sich noch nicht verschoben. Das ändert sich durch die Bundesergänzungszuweisungen für unterproportionale Gemeindesteuerkraft. Für diese Zuweisungen ist kein systematischer Grund ersichtlich, denn die Gemeindesteuerkraft wird bereits in der Finanzkraftmesszahl berücksichtigt. Die Extrazuweisungen verzerren vielmehr den Finanzkraftausgleich und erzeugen Übernivellierungseffekte.
Abbildung 2 zeigt, dass die Empfänger der Gemeindesteuerkraftzuweisungen (g BEZ) Länder überholen, die zuvor in der Finanzkraftrangfolge vor ihnen liegen. Auch innerhalb der Empfängergruppe treten Rangfolgeverschiebungen ein. Drei der fünf ostdeutschen Empfängerländer erreichen nach Finanzausgleich sogar eine FMZ-AMZ-Relation über 100 Prozent (TH, MV, SN), was auf eine unberechtigte Überkompensation ihrer Finanzkraftlücken hinausläuft.
Im Ergebnis verletzen die Gemeindesteuerkraftzuweisungen auch 2024 das verfassungsrechtliche Übernivellierungsverbot. Ihre zügige Abschaffung erscheint sowohl ökonomisch als auch verfassungsrechtlich geboten. Der Bund könnte die Mindereinnahmen der Länder durch eine Erhöhung ihres Umsatzsteueranteils um 1 % kompensieren und damit eine kleine Reform des Länderfinanzausgleichs unterstützen.
09.10.2025 © Wolfgang Scherf
| Eine frühere Fassung des Beitrags mit Daten für das Ausgleichsjahr 2023 findet sich hier: Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2023 | ||